Beispiele und Anwendungen von Metadenken

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Explizite Modellierung

Eine der einfachen und gleichzeitig wertvollen Einsichten aus dem Bereich des 'Metadenkens' ist, dass die Wahrnehmung/Beschreibung eines Sachverhaltes nicht dasselbe wie der Sachverhalt selbst ist. Es ist die Unterscheidung zwischen "ist" und "es scheint als ob". Zum Beispiel hätte man sich viel früher die Frage stellen können, ob die Sonne sich wirklich um die Erde bewegt oder es nur so aussieht. Was könnte diese Beobachtung sonst erklären? Ebenso ist die Unterscheidung zwischen 'Mein Leben/Tag ist schlecht' und 'Ich fühle mich schlecht' manchmal eine Frage von Leben und Tot, von Resignation oder Hoffnung. Die Unterscheidung zwischen dem, was man verstanden hat, dem was eine Person wirklich gesagt hat und was sie damit ursprünglich ausdrücken wollte, kann helfen in kritischen Situationen das richtige zu tun und zu sagen. (Man sollte bloß aufpassen, dass man nicht paranoid wird. Wenn es keinen Grund gibt anzunehmen, dass man jemanden missverstanden hat, sollte man nicht gleich Verschwörungen und Lügen vermuten.)

Viele Menschen betrachten eine Situation nur aus ihrem eigenen Blickwinkel und sehen nicht, dass die anderen Menschen, die sich um sie herum befinden ebenso Gefühle, Ziele und Gründe führ ihr Verhalten haben. Es ist leicht den Autofahrer anzuschreien, der dich gerade fast angefahren hat, nur fühlt es sich für mich als Außenstehenden oft so an, als würde die Person, die am lautesten Schreit nur von ihrem eigenen Beitrag zu dieser Situation ablenken wollen. Anstatt sich darauf zu fokussieren, was man tun kann, um ein solches Problem nächstes Mal zu verhindern, wird mit Schuldvorwürfen und Schimpfworten um sich geworfen. In den allermeisten Fällen hat der Autofahrer nicht das Ziel dich anzufahren (und falls doch, dann sollte man möglichst schnell reagieren, um den Angreifer 'auszuschalten'). Ihn anzuschreien wird sicherlich nicht dazu betragen, dass er sich mehr Gedanken dazu macht, weil er dann wahrscheinlich eher damit beschäftigt sein wird die negativen Gefühle zu verarbeiten.

Epistemologie

Bevor man mit jemandem stundenlang über ein Thema diskutiert, frag die Person, ob sie ihre Meining ändern würde, falls der Grund, den sie für diese Meinung gebracht hat wiederlegt werden würde?

Jemand sagt beispielsweise, dass er/sie an Gott/Götter glaubt und gibt als Hauptgrund die Prophezeihungen in der Bibel oder dem Koran an. Dann kann man versuchen das Vertrauen/Sicherheit, mit dem diese Überzeugung gehalten wird zu quantifizieren: ''Auf einer Skala von 0 bis 10/100, wie sicher bist du dir, dass das was du glaubst korrekt ist?'' Dann kann man fragen, ob dieser Wert nach unten gehen würde, falls es sich herausstellt, dass es keine echten Prophezeihungen in der Bibel/dem Koran gibt. Die Antwort darauf ist nämlich viel zu oft: ''Nein''. Das bedeutet nicht unbedingt, dass man dieses Gespräch nicht trotzdem haben kann, aber man sollte sich darüber im klaren sein, dass man damit vermutlich nicht viel bewirken wird.

Die Antwort ''nein'' deutet aber sehr stark darauf hin, dass diese Person sich wahrscheinlich noch nie tiefere Gedanken dazu gemacht hat und eine interessante Folgefrage wäre: ''Was könntest du lernen, das deine Einschätzung nach unten (oder oben) verändern würde?''. Falls es soetwas gibt, dann kann man dort ansetzen, ansonsten kann man mit der Person über den Wert von Überzeugungen reden, die sich durch keinerlei Fakten oder Argumente entkräften lassen. Ein sehr schönes Beispiel findet man in diesem Video (das Ende ist richtig gut! Es gibt dort auch viele andere Meta-Denk-Momente).

Zuallererst sollte man vielleicht sogar noch die Frage stellen: ''Ist es dir wichtig, dass dein Weltbild akkurat ist?''. Wenn jemand darauf mit ''nein'' antwortet, dann kann man entweder fragen wie das sein kann oder einfach das Gespräch abbrechen, denn es hat (meistens) keinen Sinn mit einer Person vernünftig zu diskutieren, die keinen Wert auf Vernunft legt. Allgemein kann man zuerst über die Kriterien oder Ziele sprechen bevor man in ein Gespäch einsteigt. Was genau würde man als Erfolg sehen?

Probleme lösen

Metadenken ist vor allem nützlich und notwendig, um langfristige und wichtige Probleme anzugehen, kann aber auch hilfreich sein, um einen Schritt zurück zu machen und die Situation aus einem anderen Winkel zu betrachten. Einige damit zusammenhängende Ideen:

Regeln und Gewohnheiten

Wenn man sich an Regeln hält oder halten muss, dann sollte man sich früher oder später Gedanken dazu machen, warum diese Regel überhaupt existiert. Welche Werte oder positiven Aspekte in unserem Leben sind auf diese Regel zurückzuführen. Was sind die Ausnahmen und in welchen Situation würde man sich über diese Regel hinwegsetzen. Ehrlichkeit ist an sich eine positive Eigenschaft, aber man sollte keine Schwierigkeiten haben sich eine Situation zu überlegen, wo man sich über diese Regel hinwegsetzen würde. Wenn man sich zu einer Regel keine Ausnahmen vorstellen kann, ist man in Gefahr ein Fanatiker wie der biblische Abraham zu werden, der seinen Sohn auf Gottes Bitte hin getötet hätte.

Ähnliches gilt für Gewohnheiten und Verhaltensmuster, die man sich im Laufe seines Lebens angewöhnt hat. Man sollte hinterfragen, warum man etwas auf eine bestimmte Art und Weise tut und ob man es nur deswegen macht, weil man sich daran gewöhnt hat und nicht, weil es die beste Option ist. Dabei hilft es, wenn jemand uns einen Spiegel vorhält (Video- oder Audioaufnahmen sind auch ganz nützlich oder Reisen/Lesen, um Alternativen kennenzulernen) damit wir unser Verhalten aus dem Blickwinkel einer außenstehenden Person beurteilen können. Insbesondere wenn wir etwas verbessern wollen kann es helfen sich eine Situation immer wieder anzusehen und sie zu analysieren.

Beobachtung und Simulation

Wenn man einen Vortrag gibt, mit anderen Menschen redet oder etwas anderes kognitiv anstrengendes macht, dass normalerweise die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zieht, sollte man sich bewusst kurze Pausen (einige Sekunden reichen oft) einplanen, um auf die Gesamtsituation zu schauen. Rede ich gerade über ein Thema, dass keinen interessiert oder habe ich die Zuhörenden verloren? Sitze ich in einer unbequemen Sitzhaltung und sollte ich kurz aufstehen und mich bewegen? Atme/rede/esse/denke ich ruhig und überlegt oder reagiere ich nur auf äußere Reize? Dasselbe gilt für das Beobachten der Gesamtsituation. Ist alles soweit in Ordnung oder kommt mir etwas an dem Ganzen komisch vor? Insbesondere wenn man als Tourist oder im Internet unterwegs ist, gilt es immer eine gewisse Vorsicht walten zu lassen.

Wenn man bei etwas ein ungutes Gefühl hat (und um das zu merken, sollte man seine Gefühle im Blick haben), hilft es manchmal sich vorzustellen/zu simulieren, was in verschiedenen Zukunftsszenarien passieren kann/wird. Man stellt sein Glas Wasser sehr nah an die Tischkante oder den Laptop und sagt sich, dass man schon "vorsichtig" sein wird, aber oft gibt es keinen Grund dem Teil des Gehirns zu glauben, das uns dazu verleiten will die einfache und schnelle Lösung zu nehmen. Denn wenn das Glas Wasser den Laptop und damit einige vielleicht noch wertvollere Daten zerstört hat, gibt es nur noch die Option aus dem Fehler für das nächste Mal zu lernen. Simulation erlaubt es uns aus möglichen Fehlern zu lernen, ohne die Kosten zu tragen.

Für Menschen, die Schwierigkeiten haben sich zu konzentrieren, ihre Gedanken und Gefühle wertfrei zu beobachten oder bei denen Gedanken chaotisch und unkontrolliert kommen und gehen kann Meditation helfen diese Fähigkeit etwas zu trainieren. Man sollte nur nicht glauben, dass Meditation das Endziel ist, es ist nur der erste Schritt.

Motivation

Stell dir vor du machst etwas nicht besonders gerne (Rosenkohl essen, Staubsaugen, Tanzen, Joggen,...) oder kannst dich nicht überwinden es zu tun, obwohl du es als etwas positives sehen würdest. Dann kann es helfen, anstatt sich auf die Sache an sich zu fokussieren, darüber nachzudenken was genau dazu führt, dass man es ungern macht und die Situation und seine Gefühlswelt als Experiment/Beobachtungsobjekt betrachten. Es kommt nicht oft vor (bei mir zumindest), dass ich Dinge tue, auf die ich keine Lust habe und ich versuche diese seltenen Gelegenheiten zu Nutzen, um mich und meine Motivation besser zu verstehen. Gleichzeitig ist dadurch die Wahrscheinlichkeit höher, dass man findet, dass es gar nicht so schlimm war, wie man es sich vorgestellt hat oder im Falle von Dingen, an die man sich einfach nur gewöhnen muss, hat man einen weiteren Schritt in die Richtung gemacht, dass man es in Zukunft nicht mehr unangenhem findet.

Ganz ähnlich kann man Menschen, die man unsympathisch findet dazu nutzen, um zu verstehen, warum genau man dieses Gefühl hat. Vielleicht hat das gar nichts mit der Person an sich zu tun, sondern mit einer Verbindung, die man unbewusst macht (nur Bösewichte tragen Sonnenbrillen, nur Prostituierte tragen kurze Röcke, ...) Und sollte sich herausstellen, dass man die Person zurecht nicht mag, dann hat man zumindest besser verstanden, wie man mit der Situation umgeht und welche Werte einem wichtig sind.

Mechanism design

Die uralte Frage, wie wir eine Gesellschaft schaffen können, die fair ist und allen Menschen erlaubt glüklich zu sein, ist zwar noch nicht gelöst, aber in einigen einfachen Fällen können wir trotzdem Fortschritte erzielen. Wenn man beispielsweise ein Stück Kuchen zwischen zwei Kindern aufteilen will, dann kann man das Stück selbst in zwei Teile schneiden und diese verteilen, aber dann riskiert man, dass mindestens ein Kind mit der Verteilung unzufrieden ist. Seit Urzeiten ist das geniale (denk mal darüber nach!) und bewährte Prinzip bekannt, dass man eines der Kinder das Stück in zwei Teile schneiden lässt, von denen es denkt, dass sie fair sind und das andere Kind darf dann zuerst aussuchen, welches Stück es möchte. Das zweite Stück geht dann an das erste Kind.

Dieses Prinzip ist ein Beispiel für ein System, dass sehr gut funktioniert, solange die beiden Kinder in etwa die selben Preferenzen haben. Falls das nicht der Fall ist (jemand mag die Kruste und die andere mag eher die Puddingfüllung), braucht man etwas komplexere Verfahren. Der Punkt hier ist aber, dass man sich auf das allgemeine Verfahren konzentriert und nicht die konkrete Situation mit Kindern und Kuchen, die sehr schnell in einer langen Diskussion ausarten könnte, wenn man ein 'instabiles' Verfahren anwendet. Ganz allgemein fragt die Spiel- und Systemheorie nach Verfahren und Mechanismen, die garantieren, dass die 'optimale' Lösung stabil ist und sich in fast allen Situationen unabhängig vom Kontext einstellt, solange gewisse Randbedingungen und Annahmen erfüllt sind.

Eine andere konkrete Vorgehensweise hilft dabei 'Warum?'-Frageketten bei Kindern zu unterbinden. Anstatt sofort eine Antwort zu geben, kann man immer erst fragen: ''Was denkst du denn?''. Denn Fragen zu stellen ist sehr einfach, Fragen gut zu beantworten allerdings schwer. Mit dieser Gegenfrage sorgt man dafür, dass die Kosten von beiden Seiten im Gespräch gleichermaßen getragen werden (und hat als positiven Nebeneffekt, dass man das selbstständige Denken anregt).

Für Mathematiker: Parameterräume

Anstatt die alternierende Summe über 1/n zu berechnen, gibt es einen Standardtrick. Man interpretiert die Summe als Spezialfall des allgemeinen Problems die Reihe über x^n/n bei x = -1 auszuwerten. Durch Ableiten kann man die Funktion zu dieser Reihe leicht bestimmen und dann erlauben uns gewisse Grenzwertsätze die Auswertung der ursprünglichen Reihe. Dieser Trick ist noch an anderen Stellen nützlich, wo man ein Problem als Punkt in einem Kontinuum sehen kann und auch im realen Leben hilft es sich konkrete Fakten als Variablen vorzustellen. So kann aus 'ich' einfach 'ein Mensch' und aus 'diese Situation' dann 'Situationen wie diese' werden.

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